AG Hannover ruft EuGH zu Flugausfällen infolge Krankmeldungen bei TUIfly an
Das AG Hannover legt dem EuGH acht Fälle wegen massenhafter Krankmeldungen ausgefallener Flüge bei TUIfly zur Vorabentscheidung vor - Verfahren bis zur Entscheidung ausgesetzt.
Das Amtsgericht Hannover beschäftigt derzeit eine sehr hohe Anzahl von Entschädigungsklagen wegen ausgefallener oder verspäteter Flüge des Fluglienienbetreibers TUIfly GmbH, der in Hannover seinen Unternehmenssitz hat. In acht dieser Fälle aus zwei Dezernaten hat der zuständige vorsitzende Richter nun den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen, um identische und für die Entscheidung dieser Rechtsstreitigkeiten nach seiner Auffassung wesentliche Rechtsfragen mit europarechtlichem Bezug vorab klären zu lassen, und zwar wie folgt:
1. Stellt die Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund von Krankmeldungen einen außergewöhnlichen Umstand dar? Falls Frage 1 bejaht werden sollte: wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?
2. Falls Frage 1 verneint werden sollte: stellt die Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund einer arbeitsrechtlich und tarifrechtlich nicht legitimierten Arbeitsniederlegung („wilder Streik") einen außergewöhnlichen Umstand dar? Falls Frage 2 bejaht werden sollte: wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?
3. Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollten: muss der außergewöhnliche Umstand beim annullierten Flug selbst vorgelegen haben oder ist das ausführende Luftfahrtunternehmen berechtigt, aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen einen neuen Flugplan aufzustellen?
4. Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollten: kommt es bei der Vermeidbarkeit auf den außergewöhnlichen Umstand oder aber die Folgen des Eintritts des außergewöhnlichen Umstands an?
Die am AG Hannover anhängigen Verfahren aus den Dezernaten 406 und 506 sind danach einstweilen ausgesetzt.
In den zugrunde liegenden Sachverhalten waren in der Feriensaison des Herbst 2016 nahezu sämtliche Flugverbindungen der Fluggesellschaft TUIfly, die vornehmlich pauschale Urlaubsreisen bedient, ausgefallen, weil sich Mitarbeiter des Kabinenpersonals angeblich in großer Zahl zeitgleich krankgemeldet hatten und die für die Flüge erforderlichen Crew-Besetzungen danach nicht zusammengestellt werden konnten.
Praxistipp:
Sollten Sie derzeit in einem solchen Verfahren eines ausgefallenen oder verspäteten Fluges Partei eines Rechtsstreits sein oder aber erwägen, Ihre Rechte auf Entschädigungsleistung nach der europäischen FluggastrechteVO gerichtlich geltend zu machen, kann diese Entwicklung um die Vorlagebeschlüsse des AG Hannover eine durchaus beachtliche Wendung bedeuten - in zeitlicher wie auch inhaltlicher Hinsicht.